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Von heute auf morgen in ein anderes Leben: So tickt Mohammad Bazmi

WIR OSTSTEIRER reden mit Menschen, die etwas zu erzählen haben. Wir wollen wissen, wie die Menschen in der Oststeiermark ticken.
Mohammad Bazmi lebt noch nicht lange in der Oststeiermark. Der 31-jährige kommt aus dem Iran und ist Asylwerber. Mit uns hat er über seine Vergangenheit, seine Hoffnungen und seine Pläne gesprochen – und darüber, wie es sich anfühlt, plötzlich ein anderes Leben zu leben.

Wie tickst du, Mohammad Bazmi?

Ich bin… Mohammad

Ich will… Deutsch lernen

Ich werde nie… arbeiten

WIR OSTSTEIRER (WOS): Du sagst, du wirst nie arbeiten. Willst du nicht?
Mohammad Bazmi: Ich kann nicht arbeiten. Ich möchte schon, aber ich bin kein Österreicher. Ich bin Asylwerber, also darf ich nicht arbeiten.

WOS: Wieso bist du nach Österreich gekommen?
Mohammad: Das ist sehr schwierig zu erzählen. Ich musste meine Heimat verlassen. 10 Tage habe ich hierher gebraucht, mit dem Auto und mit dem Schiff. Seit 14 Monaten bin ich jetzt hier in Gleisdorf.

(Anmerkung: Mohammad hat uns erzählt, warum er flüchten musste, aber er möchte nicht, dass diese Information veröffentlicht wird. Das respektieren wir.)

WOS: Wie war dein Leben im Iran?
Mohammad: Als ich im Iran war, habe ich Kosmetik verkauft. Ich hatte eine Wohnung, ich hatte zwei Geschäfte, ich hatte Familie. Es ist sehr schwer, darüber zu reden.

Kannst du dir vorstellen, du bist jetzt da: Gute Freundin, gute Familie, gutes Haus, gute Arbeit – alles. Nächstes Jahr bist du da: Keine Arbeit, du musst eine neue Sprache lernen, du musst in ein anderes Land fahren, du wohnst in einem kleinen Zimmer mit drei Personen, kochst in einer Küche mit 20 Personen.

WOS: Nachdem du nicht arbeiten darfst, was machst du den ganzen Tag?
Mohammad: Ich bin am Vormittag in meinem Zimmer und lerne Deutsch. Nachmittags ist oft Deutschkurs. Ich koche auch. Als ich im Iran war, habe ich nur Eier gekocht, aber hier lerne ich kochen. Und ich lerne österreichisch Tanzen.

WOS: Hast du immer schon gerne getanzt?
Mohammad: Ja! Wenn du willst, bringe ich dir iranische Tänze bei.

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Das Lachen hat Mohammad Bazmi noch nicht verlernt – auch, wenn es manchmal schwer fällt.

WOS: Wie begegnen dir die Österreicher?
Mohammad: Die Menschen in Gleisdorf behandeln mich sehr freundlich. Mir gefällt es in Gleisdorf. Ich habe von den Leuten so viel Hilfe bekommen, auch in der I-am-Gruppe und bei meiner Lehrerin. Ich bin motiviert. Ich möchte hierbleiben und selbst Menschen helfen. Ich war jetzt im Bezirkspensionistenheim in Gleisdorf und habe geholfen, wenn jemand nicht gut gegessen oder getrunken hat. Ich bin mit den Menschen mit dem Rollstuhl spazieren gegangen. Manchmal habe ich ein bisschen getanzt und Spaß gemacht.

WOS: Bist du schnell mit den Menschen hier in Kontakt gekommen?
Mohammad: Ich habe viele Menschen kennengelernt in Gleisdorf, aber am Anfang ist immer Abstand. Ich erzähle, du erzählst, dann ist es ok.

WOS: Du lachst immer, bist du ein fröhlicher Mensch? Viele könnten in deiner Situation nicht mehr lachen.
Mohammad: Ein Freund aus dem Iran hat immer gesagt: „Du wirst kein alter Mann werden. Auch wenn du ein Problem hast, du lachst immer!“ Ich bin auch traurig. Ich sitze da und lache nicht – sprichst du dann mit mir? Nicht fünf Minuten! Geht nicht. Ich weiß, alle Mensche sprechen mit jemandem, der fröhlich ist. Wenn eine Person nicht lacht, dann sagen alle: Entschuldigung, ich habe keine Zeit, ich gehe.

WOS: Wie soll deine Zukunft aussehen?
Mohammad: Ich habe zwei Pläne – einen für positiven und einen für negativen Asylbescheid. Ich habe so viele Pläne für einen positiven Bescheid: Ich lerne Deutsch, das ist sehr wichtig für mich. Ich suche eine Arbeit, dann vielleicht drei oder vier Jahre Geld ersparen, dann möchte ich ein Geschäft eröffnen. Kosmetik oder ein Restaurant.

Wenn ich einen negativen Bescheid bekomme, wäre es sehr schlecht. Ich darf nicht arbeiten. Ich weiß, man denkt sehr schlecht darüber. Dann müsste ich vielleicht wieder zurück in den Iran. Das wäre sehr schlecht für mich. Vielleicht werde ich eingesperrt oder … * …ich weiß nicht. (Anm.: *Mohammad deutet die Geste des Kopfabschneidens an)

WOS: Hast du Angst davor, wieder zurück zu müssen?
Mohammand: Ja, sehr. Ich habe viel Angst. Ich warte seit einem Monat auf den Bescheid. Das ist sehr schwierig. Meine Lehrerin hat immer gesagt: Geduld.

WOS: Viele Österreicher wollen keine Asylwerber.
Mohammad: Ich weiß. Ich verstehe die Menschen. Österreicher müssen zahlen, dann leben Asylwerber in Österreich, ich verstehe alles. Ich will arbeiten, aber ich darf jetzt nicht arbeiten. Wenn ich dann arbeiten darf, muss ich und will ich Steuern zahlen.

Eine Idee: Österreichs Präsident sagt, sechs Monate oder acht Monat oder ein Jahr gibt es Geld für Asylwerber, da lernen sie deutsch. Dann müssen sie hier arbeiten, ok? Dann gibt es kein Geld mehr. Ich glaube, das wäre für Asylwerber besser und für Österreich. Dann kommt das Geld zurück.

WOS: Deine Zukunft siehst du also in Österreich?
Mohammad: Ich bin zufrieden und dankbar, wenn ich hier bleiben kann. Ich will Österreicher werden. Die Österreicher gleichen den Persern, es sind freundliche Menschen.

(Anm.: Das Interview mit Mohammad haben wir zur Gänze auf Deutsch geführt. An einigen Stellen haben wir Mohammads Aussagen wörtlich übernommen, an anderen Stellen haben wir aus Gründen des Leseflusses Mohammads Antworten etwas umformuliert.)


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