Dieser Mann nimmt eine uralte Vespa und macht daraus – eine uralte Vespa

Warum tut man sich das als vernünftig denkender Mensch an? Man kauft eine Vespa, die aussieht wie ein Haufen rostiges Blech auf Rädern, steckt einen Batzen Geld und monatelange Arbeit hinein, und hat am Ende eine Vespa – die aussieht wie ein Haufen rostiges Blech auf Rädern! Lackschäden, Dellen, Kratzer, Rost – diese Gefährte wirken, als warteten sie auf den Sperrmüll.

Peter Eberl, Spitzname Hai, kann nachvollziehen, warum man das tut, ist er doch selber einer, den das Vespaschraubervirus so richtig gepackt hat. Eines seiner Werke steht in seinem Büro. Baujahr 1952, eine Hoffmann-Vespa, ein seltenes Stück.

Mit dem Erklären dieser Leidenschaft tut er sich dennoch schwer. Wie fasst man diese grenzenlose Liebe in Worte? Es braucht auf jeden Fall viele Worte, will man mit dem Hai in seine Welt abtauchen.

Außen „pfui“, innen…

Die Vespa ist seit jeher Lifestyleprodukt und Lebensbegleiter. 1948 lief die erste vom Band, und seither fand die Vespa in jeder Generation, in jedem Jahrzehnt ihre Nische. Immer aktuell, immer dabei – in der Filmgeschichte, in der Mode, im täglichen Leben. Die Vespa schrieb Geschichte, und jede Vespa erzählt eine Geschicht.

Nach diesen Geschichten ist der Hai auf der Suche. Er findet die Grundlage für seine Restaurationsobjekte oft in Scheunen oder alten Garagen, vergessen, verrostet und verstaubt. In mühevoller Kleinarbeit haucht er den „mausetoten“ Geräten wieder Leben ein. „Die Geschichte eines Fahrzeugs ist empfindlich,“ erklärt der Hai. „Sobald du etwas änderst, sieht man das.“

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So können Peter Eberls Vespas aussehen – NACH der Restaurierung!

Also wird außen möglichst wenig verändert. Vespas mit Originallackierung sind oft doppelt so wertvoll wie restaurierte Stücke. Jeder Kratzer, jede Delle wird nicht nur belassen, sondern oft noch hervorgehoben. Nur Rostlöcher werden ausgebessert – aber auch hier besteht die meiste Arbeit darin, die ursprüngliche Patina wieder herzustellen.

Innen aber, dort, wo man nicht sofort hinsieht, bekommen die alten Teile eine Frischzellenkur. Für den Hai das Tüpfelchen auf dem i: „Du hast was mehr oder weniger abgefucktes von außen, aber mit einer bestmöglichen technischen Ausstattung dahinter. Damit irritierst du die Leute!“

Der Heilige Gral der Vespa-Szene

Der Hai hat aber noch einen anderen Zugang zur Geschichte seiner Fahrzeuge: Er reproduziert seltene Baureihen auf Basis alter Fahrzeuge aus der gleichen Zeit. Die Sei Giorni zum Beispiel. Diese Rennvespa wurde Anfang der 1950er Jahre als Kleinstserie gebaut und gilt als Heiliger Gral in der Vespa-Szene – die meisten wurden im Rennen geopfert und der Rest ist nicht mehr auffindbar.

Der Hai hat sie nachgebaut, auf Basis einer Vespa aus dem Jahr 1954. Damit das Ergebnis überzeugt, haben er und seine Schrauberkollegen viel Handarbeit und genauso viel Kopfarbeit in das Projekt einfließen lassen. „Wir durften ein Original im Museum von Pontedera in Italien genau vermessen und dokumentieren. Auf Basis dieser Daten haben wir dann versucht, die einzelnen Teile nachzubauen.“

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Das ist sie: Die Sei Giorno. Eine Hochglanzrestauration nach dem Vorbild der legendären Rennvespa aus den 1950ern.

Das stellte sich als gar nicht so einfach heraus. „Warum hat dieses Fahrzeug dieses Anbauteil, warum schaut die Felge so aus, warum schaut der Tank so aus, warum ist dies Feder dort? Das sind so Kleinigkeiten, aber das hat alles seinen Grund und keiner weiß warum. Also musst du einmal draufkommen, warum die Teile so gebaut worden sind und dann kannst du sie nachbauen.“

Eineinhalb Jahre dauerte es, bis die Sei Giorni fertig war – eine Hochglanzrestauration. „Dann war mal lange nichts,“ erzählt der Hai. Von diesem Kraftakt musste sich das Team erst erholen.

Bald war aber klar: Der Hai baut noch eine Sei Giorni: „Jetzt wusste ich ja schon, wie es geht und was ich bei der ersten alles falsch gemacht habe!“ Aus einer wurden drei, denn auch die Schrauberkollegen bauten wieder mit. „Das ganze jetzt mal drei zu machen, war dann schon der Overkill,“ gibt der Hai zu.

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Einen anderen Eindruck machet die zweite Serie aus der Hai-Werkstatt. Statt Hochglanz gibt es Rostflecken und Dellen – diese Fahrzeuge erzählen eine Geschichte.

Mit den drei Schönheiten ging es dann zum größten Vespatreffen weltweit nach Kroatien – über 100.000 Fahrzeuge nahmen daran teil. „Wenn du da wirklich Aufsehen erregst, dann weißt du, dass die Richtung stimmt. Vor allem die Italiener sind ja quasi mit der Vespa verheiratet. Die wissen alles darüber und die sind da gnadenlos. Wenn du da Mist ablieferst, dann wirst du zerrissen.“

Die nächsten Projekte hat der Hai auch schon im Kopf.  Warum nicht eine räudige alte Vespa mit einem modernen Elektromotor ausstatten? Oder Themenvespas zu verschiedenen Epochen bauen, die aussehen, als seien sie direkt mit der Zeitmaschine hier bei uns gelandet?

Fad wird dem Hai mit seinen Vespas so schnell sicher nicht. Und sollte ihm die Schrauberei einmal doch keinen Spaß mehr machen – man kann die Dinger angeblich auch fahren…

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