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Frost, Schnee und Bauernbashing: So geht es unseren Obstbauern jetzt

Spätfrost und Schnee haben Ende April in vielen Obstanlagen einen Großteil der Ernte zerstört. Was bedeutet das konkret für die Betroffenen? Wir haben Georg und Maria Taucher auf ihrem Hof besucht und aus erster Hand erfahren, wie es den Bauern derzeit geht.

Georg Taucher (28) ist Vollerwerbsbauer und bewirtschaftet in Dörf bei Mitterdorf einen Betrieb mit 23 Hektar. Seine Frau Maria (27) arbeitet im Betrieb mit und kümmert sich um die beiden Söhne Leon und Lukas (1,5 und 4). Auch Georgs Eltern helfen tatkräftig mit, obwohl sie längst die verdiente Pension genießen könnten.

„Von meiner Frau habe ich gelernt, dass man immer optimistisch denken soll,“ meint Georg: „Momentag fällt mir das aber sehr schwer.“ Auch seinen Betrieb hat der Frost Ende April ordentlich erwischt. Georgs Betrieb hat eine Größe von 23 Hektar: ein Hektar Kirschen, ein Hektar Birnen und der Rest Äpfel in verschiedenen Sorten. Die Kirschenernte fällt heuer komplett aus, die Birnen sind ebenso kaputt.

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Georg und Maria Taucher

800.000 Kilo Äpfel erntet Georg in einem durchschnittlichen Jahr. Heuer nicht. „Bei den Äpfels sind drei Viertel hin, beim Rest muss sich erst zeigen, ob das noch was wird,“ berichtet Georg. Selbst wenn Äpfel am Baum bleiben: Wenn der Apfel beschädigt ist, lässt er sich nicht mehr als Tafelobst verkaufen. Dafür reicht ein unregelmäßiger Wuchs oder eine Schadstelle mit mehr als einem Quadratmillimeter Größe – oder auch eine zu blasse Farbe. Was den strengen Kriterien der Lebensmittelmärkte nicht entspricht, ist Industrieobst. Dafür gibt’s dann nochmal weniger Geld.

Keine Ernte, keine Arbeit?

Den Rest des Jahres auf die faule Haut legen, weil die Ernte eh nichts wird – das kann sich kein Bauer leisten. Die Anlagen müssen genauso gepflegt werden wie sonst auch. Pflanzenschutz und Pflegemaßnahmen müssen weiterlaufen. Passiert das nicht, können sich Pilz- und Bakterienkrankheiten in der Anlage ausbreiten.

Damit laufen auch die Kosten ganz normal weiter. „Ich habe im Jahr 200.000 bis 220.000 Euro an betrieblichen Ausgaben. Allein die Pflanzenschutzmittel machen 25.000 Euro aus. Dazu kommen 10.000 Liter Treibstoff, Kosten für die Instandhaltung der Lager- und Kühlhallen… Wenn ich nach Abzug der Betriebkosten und der Lebenserhaltungskosten auf Null bin, bin ich schon froh,“ rechnet Georg vor. In einem normalen Jahr, wohlgemerkt. Zum Investieren, beispielsweise in die Erneuerung der Obstanlagen, bleibt da nicht mehr viel übrig.

Nicht nur ein Schaden für die Bauern

Nach der heurigen Spätfrostkatastrophe ist die Situation noch ein Stück angespannter. Georg und Maria hoffen auf eine Entschädigung aus dem Katastrophenfonds des Bundes. Versichert waren sie nicht. „Es gibt gegen alles eine Absicherung: Gegen Dürre kannst du Bewässerungsanlagen bauen, gegen Frost kannst du dich versichern. Aber das sind alles enorme Kosten. Das geht sich nicht aus,“ meint Georg, und Maria ergänzt: „Selbst wenn alle Bauern versichert gewesen wären, hätten die Versicherungen diesen riesigen Schaden nicht abdecken können! Es sind fast alle davon betroffen, das geht sich ohne Katastrophenfonds nie aus.“

100 Millionen Euro Schaden sollen es nach ersten Schätzungen gewesen sein, die durch den Frost entstanden sind. In weiterer Konsequenz sind es noch viel mehr. Das macht auch Georg Sorgen: „Da hängt einiges dran: Obstbauern, Vermarkter, Klimatechnikfirmen, Elektrofirmen… Da gehen Aufträge verloren, wenn die Bauern wegbrechen. Da stehen auch tausende Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft auf dem Spiel!“

Sparen, sparen, sparen – und noch mehr arbeiten

10.000 Arbeitsstunden pro Jahr erfordert Georgs Betrieb. Die werden abgedeckt von Georg, Maria, Georgs Eltern sowie Saisonarbeitskräften. Letztere werden heuer wohl weniger eingesetzt werden können. „Wir werden heuer so kostengünstig wie möglich fahren, auch wenn das für uns mehr Arbeitsstunden bedeutet,“ erklärt Georg:

„Du kannst auch nicht einfach wie eine andere Firma mit den Preisen rauf gehen. Bei den Bauern geht’s eher runter. Ich kann nur noch mehr Kosten senken, aber wir sind am Limit. Und die Zeit darfst du gar nicht rechnen. Ein normaler Angestellter geht 40 Stunden arbeiten. Ich komme auf 55 Stunden, in der Erntezeit auf 70. Bei dieser Arbeitszeit müsste ich 4.000 Euro verdienen. Ich bin schon froh, wenn ich 1.500 oder 1.000 Euro hab.“

Warum sich Georg das alles antut?

„Weil ich gerne Bauer bin, das ist mein Problem.“

Aufhören kommt für ihn (noch) nicht in Frage. Dass andere, denen der Frost nicht nur die Ernte, sondern gleich ganze Anlagen vernichtet hat, das Handtuch werfen, kann Georg aber nachvollziehen: „Ich brauch nur auf meine Zahlen schauen, dann versteh ich das. Wenn es mir ein paar Hektar umgedrückt hätte, hätte ich auch aufgehört. Dann könnte ich das machen, was die anderen so gerne hätten: Eine Grünbrache mit allen möglichen Blumerln – und ich hätte viele Sorgen weniger!“

Seine Söhne sollen darum später auch nicht den Hof übernehmen: „Die brauchen nicht daheim bleiben, die sollen einen Beruf lernen. Auch wenn sie jetzt schon gern in den Anlagen mit sind.“

Bauernbashing auf Facebook & Co

Während die Obstbauern aus vielen Teilen der Bevölkerung (zumindest moralische) Unterstützung erfahren, werden auch Stimmen laut, die meinen, dass die Bauern an ihrer Misere selbst schuld seien – man könne sich schließlich versichern. Böse Kommentare auf Facebook haben auch Georg und Maria gelesen.

„Das Bauernbashing tut weh,“

meint Maria: „Es stimmt, viele Bauern haben verdammt gut gelebt. Früher hat es nicht viele verschuldete Obstbaubetriebe gegeben. Mittlerweile gibt es sehr wenige, bei denen nicht die Bank draufhängt. Was wir für die Äpfel bekommen, deckt nicht einmal die Herstellungskosten ab. Ohne den Verkauf ab Hof und am Großmarkt in Graz kämen wir nicht mehr über die Runden.“

Kritik übt Georg an den Lebensmittelketten. „Wenn ein Supermarkt mitten in unserer Apfelerntezeit mit Äpfeln aus Neuseeland in Aktion wirbt, läuft da was schief! Wir produzieren beste Qualität und unsere Standards gehören weltweit zu den Strengsten. Wenn heimische Äpfel in den Supermärkten ein bisschen billiger verkäuft würden, könnten die Ketten in Summe mehr Umsatz machen, weil mehr gekauft wird. Dann könnten sie den Bauern einen besseren Preis bezahlen.“