Was andere fertig macht, ist für ihn nur Vorbereitung: Extremradler Eduard Fuchs

Ein Radmarathon mit 180 Kilometern? Allein beim Gedanken daran bekommen die meisten Hobbyradler Atemnot und Phantomschmerzen im Allerwertesten. Für Eduard „Edi“ Fuchs sind solche Distanzen gerade einmal Aufwärmrunden. Der Ultraradfahrer aus Bad Radkersburg bereitet sich gerade auf sein nächstes „richtiges“ Rennen vor: das Red Bull Trans Siberian Extreme 2016 von 5. bis 28. Juli.

Dabei geht es 9.195 Kilometer weit quer durch Russland und Sibirien, 58.000 Höhenmeter sind zu bewältigen – das längste Ultradistanz-Radrennen der Welt. Edi nahm bereits 2015 daran teil und fuhr in einer Gesamtzeit von 331 Stunden, 52 Minuten und 13 Sekunden auf den zweiten Platz – mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27,7 Stundenkilometern.

Im WIR-OSTSTEIRER-Interview erzählt er von den körperlichen, mentalen und finanziellen Herausforderungen eines solchen Projekts und verrät, wieviel er essen muss, um nicht vom Rad zu fallen.


 

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Eduard „Edi“ Fuchs, geboren 1975 in Bad Radkersburg. Gewicht: 66 kg Größe: 175 cm Beruf: Berufsunteroffizier, „Personal Recruiter“ beim Heerespersonalamt in Graz Sport: 1993 bis 2008 Amateur-/Elite-Radrennfahrer in diversen Teams, 2007 erste Ultra-Radrennen.

WIR OSTSTEIRER (WOS): Edi, wie bereitet man sich auf ein Rennen wie das Trans Siberian Extreme vor?
Edi Fuchs: Das Training ist meistens die kleinere Hürde, eher das ganze Rundherum, die Organisation. Damit ich überhaupt etwas in die Wege leiten kann, brauche ich ein dementsprechendes Budget. Wenn du Fußball spielst, gehst du zu einem Verein, der hat eine Struktur, und wenn du gut bist, wirst du weiter gefördert. Das gibt es im Ultra-Radsport nicht. Da stehst du alleine da, du musst dir alles selber aufbauen: Sponsoren, eine Betreuermannschaft vom Therapeuten bis zum Mechaniker…

WOS: Und die körperliche Vorbereitung, wie muss man sich die vorstellen?
Edi: Du gehst das nicht gleich von heut auf morgen an, dass du jetzt als Hobbysportler sagst, nächstes Jahr mach ich das. Ich hab mit 16, 17 mit normalen Radrennen angefangen, Österreichrundfahrten und so Geschichten. 2009 hab ich mit den Ultraradrennen angefangen, bin 12- und 24-Stunden-Rennen gefahren. Das hat mir getaugt und ich hab gesehen, ich kann damit gut umgehen. Im zweiten Jahr hab ich dann das „Race around Austria“ mit 2.200 Kilometern gemacht und das hab ich gleich gewonnen. Da bist du 100 Stunden unterwegs. Ein 24-Stunden-Rennen ist für mich so, wie wenn du dich ein bis zwei Stunden aufs Radl setzt.

WOS: Wenn ich mich zwei Stunden aufs Radl setz, dann kannst du mich mit der Spachtel vom Asphalt kratzen…
Edi (lacht): In den 24 Stunden bleib ich grundsätzlich gar nicht stehen, maximal wenn ich aufs Klo muss, wenn eine große Not zu verrichten ist, was eigentlich nicht sein sollte. Aber normalerweise fährst du wirklich durch. Wenn du um den Sieg mitfährst, zählt jede Minute. Jede Pause ist verlorene Zeit, denn es geht wirklich oft um Minutenabstände bei den Siegern. Wenn Du über zwei Tage unterwegs bist, das heißt auch über zwei Nächte, dann musst du schon überlegen, wann mach ich eine Schlafpause, wie lange schlaf ich.

WOS: Wie lange kannst du durchgehend wach bleiben?
Edi: Na ja, so 60 Stunden geht schon.

WOS: Wie schafft man das, wie bleibt man da leistungsfähig?
Edi: Fokussieren und konzentrieren. Wenn ich vom Radl steige, mich hinsetze und gehenlasse, kann ich sofort einschlafen. Solange du konzentriert bleibst, irgendwie in Schwung bleibst, kannst du das immer wieder rauszögern.

WOS: Du verbrennst bei einem solchen Rennen Unmengen an Kalorien. Wie führst du die wieder zu?
Pro Belastungsstunde brauchst du zwischen 300 und 500 Kilokalorien, vielleicht sogar 600. Nur, das magst du halt meistens nicht essen – als Festnahrung schon gar nicht. Darum gibt es hochkalorische Flüssignahrung, wo du mehr Kilokalorien reinkriegst. Das schmeckt wie Joghurt. Ich nehme zwei Drittel Flüssignahrung und ein Drittel feste Nahrung  –  nicht nur irgendwelche Energieriegel, sondern auch ganz normal Schinkenbrote, Käsebrote und solche Sachen. Und zwischendurch kommen natürlich die Gusto-Sachen, mal eine kleine Tafel Schokolade oder so. Von den Kilokalorien her kannst du dir im Endeffekt alles erlauben. Und ich schau auch vor dem Rennen schon, dass ich ein, zwei Kilo „Reserve“ hab. Das brauchst du.

WOS: Wie motivierst du dich beim Rennen selbst? Was bringt dich dazu, nicht aufzugeben?
Edi: Motivation ist stark von der körperlichen Verfassung gesteuert. So lange dir nichts weh tut und alles läuft wie geschmiert, kommen dir keine negativen Gedanken. Wenn dir aber etwas wehzutun anfängt, oder die Ernährung passt nicht, kommt man in einen Teufelskreis, dann kommst du in ein Tief. Du musst schauen, dass du körperlich alle Eventualitäten abdecken kannst. Wenn du 1000 Kilometer mit dem Radl fährst, ist der Hintern buchstäblich ein wunder Punkt – da gibt es dann Tricks und Schmähs, wie du damit umgehen kannst. Dass du 1000 Kilometer fährst und du steigst vom Radl ab und sagst, hurra, mir geht´s gut und es ist als wär nix, das gibt es nicht.

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2015 fuhr Edi beim Trans Siberian Extreme auf Platz zwei. Heuer will er sich den über 9.000 Kilometern quer durch Russland noch einmal stellen.

WOS: Also die Schmerzen nimmt man in Kauf – und das muss man auch, weil man ohne die nicht auskommt?
Edi: Ja, es ist einfach ein Teil davon.

WOS: Taugt Dir das?
Edi (lacht): Naja, taugen… Die Frage ist, wie sehr stehe ich wirklich dahinter, will ich das wirklich, und wie sehr bin ich bereit, über die Grenzen hinweg zu gehen. Du glaubst, du bist über eine gewisse Grenze drüber, im Endeffekt ist das aber noch lange nicht deine Grenze, die der Körper hat. Potential hat man ja genug.

WOS: Wie groß ist dabei die Gefahr, zu weit zu gehen und Grenzen zu überschreiten, die man nicht überschreiten sollte?
Edi: Wenn du wirklich über deine letzten Reserven hinwegkommst, kann das dein Todesurteil sein. Darum ist Doping auch ein totales No-Go. Da gehst du über dein Level, aber du kannst es dann nicht mehr kontrollieren.

WOS: Wie lange brauchst Du nach einem Rennen wie in Russland, um dich zu regenerieren?
Edi: Ich habe drei Monate gebraucht, um so weit zu kommen, dass ich wieder sinnvoll trainieren kann. Dabei geht es nicht nur um das Körperliche, sondern auch darum, dass du mental arbeitest. Du bist beim Rennen in Russland drei Wochen lang permanent unter mentalem Stress, auch wenn dir das nicht bewusst ist. Du bist immer in der Spannung drinnen, und das kann dich in ein Burnout bringen. Deshalb ist es wichtig, dass du dich auch mental erholst, nicht nur körperlich. Körperlich geht´s eh meistens schneller als mental.


 

Edi ist mittlerweile körperlich und mental wieder voll leistungsfähig und mitten im Training für das Red Bull Trans Siberian Extreme. Das Rennen startet am 5. Juli 2016 in Moskau und wird am 28. Juli in Vladivostok zu Ende gehen. Rund 20 Sportler werden daran teilnehmen, nach derzeitigem Stand ist Eduard Fuchs der einzige Österreicher im Bewerb.