maria empfängnis 8. dezember

Maria Empfängnis: Sex, Schuld und Shopping

Zu Weihnachten kann man mit den ganzen Feiertagen schon durcheinanderkommen. Heiliger Abend, Christtag, Stefanitag, Johannestag, Tag der Unschudigen Kinder… und heute natürlich der 8. Dezember. Der ist allerdings nicht in erster Linie dafür da, uns – sofern wir nicht im Handel arbeiten – einen Durchschnauftag vor Weihnachten zu gönnen. Er hat auch einen religiösen Hintergrund.

„Maria Empfängnis“ heißt der 8. Dezember eigentlich. Wer die Worte „Maria“ und „Empfängnis“ in einem Atemzug hört, denkt wohl zuerst an die Weihnachtsgeschichte, die jungfräuliche Empfängnis und den heiligen Geist – und ist damit gewaltig auf dem Holzweg. Rein rechnerisch geht sich das schon nicht aus, denn wenn wir am 24. oder 25. Dezember Weihnachten und damit die Geburt Christi feiern, kommen wir mit neun Monaten Schwangerschaft niemals auf den 8. Dezember.

WIR OSTSTEIRER wollten es genau wissen und haben uns an einen Experten gewandt: Gerhard Hörting ist Pfarrer von Gleisdorf, Markt Hartmannsdorf und Sinabelkirchen. Ihn haben wir also gefragt:

Was wird am 8. Dezember gefeiert?

maria empfängnis
Pfarrer Gerhard Hörting hat uns die Hintergründe des Marienfeiertags am 8. Dezember erklärt.

Der Pfarrer ist gelinde erstaunt über unsere Frage – es scheint nicht oft vorzukommen, dass sich jemand von der „Presse“ über die theologischen Hintergründe des 8. Dezember interessiert. Das Angebot an Feiertagen – siehe oben – ist ja gerade zu Weihnachten groß.

Umso bereitwilliger erzählt Gerhard Hörting: „Am 8. Dezember feiern wir das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Das bedeutet, dass Maria selbst ohne Erbschuld empfangen wurde. Maria Geburt feiern wir am 8. September, neun Monate später.“

Moment mal – die Kirche feiert heute also, dass Marias Eltern Joachim und Anna ein Kind gezeugt haben? Tatsächlich: Maria wurde ganz normal gezeugt. Mit Körperflüssigkeiten. Mit Sex! Und was heißt eigentlich Erbschuld? Das war doch irgendwas mit Adam und Eva? Schräg…

Jetzt wird die Geschichte wirklich spannend

„Das Fest Maria Empfängnis wurde relativ spät in der Kirche etabliert, und zwar im Jahr 1100 von Anselm von Canterbury in seiner Diözese,“ erklärt Pfarrer Hörting. „Rom hat den Feiertag erst später übernommen, im 18. Jahrhundert wurde Maria Empfängnis zum Fest für die ganze Kirche. In der Ostkirche wurde Maria Empfängnis allerdings schon viel früher, im 4. Jahrhundert, gefeiert.“

Die theologischen Wurzeln dieses Festes liegen allerdings noch viel weiter zurück, dafür müssen wir buchstäblich bei Adam und Eva anfangen. Bei der Erbschuld. „Die Erbschuld ist kein ‚Minus am Konto‘, wie viele meinen,“ stellt Gerhard Hörting klar. „Adam und Eva lebten im Paradies. Wenn wir heute etwas als Paradies bezeichnen, denken wir an unvorstellbar schöne Zustände. Der paradiesische Zustand in der Bibel ist das Sein bei Gott und mit Gott.“

Dann kam die Schlange und verführte Eva, vom Baum der Erkenntnis zu essen. (Es steht übrigens nirgends, dass das ausgerechnet ein Apfelbaum war.) Die Schlange ködert Eva mit dem Wunsch, sein zu wollen wie Gott. Adam und Eva essen die verbotene Frucht und erkennen, dass es „Gut“ und „Böse“ gibt.

Adam und Eva auf einem Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren.

„Der Mensch hat die paradiesischen Zustände verloren,“ formuliert es der Pfarrer. „Der Mensch steht seither in der Not der Freiheit, sich entscheiden zu müssen zwischen Gut und Böse. Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild. Gott wollte für den Menschen das Paradies. Die Schlange repräsentiert das Ungöttliche und auch das Unmenschliche. Das ist es, was man als Erbsünde bezeichnet.“

Zurück zu Maria

Maria war ein ganz normaler Mensch, sie wurde normal gezeugt, geboren und von ihren Eltern aufgezogen. Aber sie unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Menschen: Sie ist ohne Erbschuld geboren, ohne Hin- und Hergerissensein zwischen gut und böse. Maria ist die neue Eva, die bei und mit Gott ist.

„Und Jesus ist der neue Adam. Gott setzt mit Weihnachten einen neuen Anfang für die Menschheit,“ erklärt Pfarrer Hörting. „Er kommt zur Welt, geht hinein in diese ganze Menschlichkeit und auch in die Unmenschlichkeit, er spart nichts aus. Damit die ungestörte Beziehung zwischen Gott und den Menschen wieder lebbar wird, so sagt der Glaube, braucht es diesen Gott der Menschen, der all das erlebt und das Menschsein wieder zur ursprünglichen Würde erhebt.“

Maria ist jener Mensch, der Gott in die Welt bringt. Für die frühen Theologen war schwer denkbar, dass der Mensch, der Gott zur Welt bringt, die Erbsünde tragen soll. Sonst müsste sie ja auch auf Jesus übergehen. Das ist sie nicht, weil Gott die Erbsünde von Maria genommen hat und Jesus hat mit seinem Tod am Kreuz auch den Rest der Menschheit davon erlöst.

Erbsünde erledigt, alles ok. Damit wäre doch eigentlich alles gut, oder nicht? Pfarrer Gerhard Hörting sieht das anders: „Die Versuchung, sich über andere zu erheben und über sie bestimmen zu wollen, ist immer noch da. So gesehen ist die Erbsünde noch immer Realität und mehr als ein theologisches Konstrukt. Wir erleben es heute mit der Flüchtlingskrise, wo sich manche besser als andere fühlen, und auch in der Wirtschaft. Strukturen der Erbsünde finden wir überall, wo Gewinn gemacht wird auf Kosten anderer.“

„Dieses Fest ist nicht mehr zu retten“

So schließt sich der Kreis zwischen dem Kirchenfeiertag Maria Empfängnis und dem „Wirtschaftsfeiertag“ 8. Dezember. Die Nationalsozialisten schafften Maria Empfängnis als Feiertag ab. Nach dem Krieg wurde auf großes Drängen der Bevölkerung der Feiertag wieder eingeführt, 40 Jahre später wurde der 8. Dezember zum „halben Feiertag“. Seit 1995 dürfen Geschäfte an diesem Tag offen haben.

„Maria Empfängnis wurde damit zum Feiertag für manche und zum Arbeitstag für viele,“ kritisiert Pfarrer Hörting. „Mir gehts besser, ich hab ja frei – erhebe ich mich nicht auch da wieder über den Menschen? Egal ob ich religiös bin oder nicht, aber an diesem Tag einkaufen zu gehen ist für mich die Pervertierung dieses Festes. Ich glaube nicht, dass dieser Feiertag zu retten ist. Die Kirche wird ihr Hochfest trotzdem feiern, aber für die Menschen tut es mir manchmal leid, inmitten dieser Zeit, die eigentlich die Ruhigste sein sollte.“

Und noch etwas will der Geistliche klarstellen: „Zur der Zeit, in der Maria Empfängnis als Feiertag entstand, war das Thema Sexualität ein großes Thema. Es geht dabei aber nicht um die Sexualität. Es geht nicht um den Zeugungsakt. Es geht um die Schönheit des Menschen und um die Würde des Menschen. Dazu gehört natürlich auch die Sexualität! Auch dort kann ich mich nicht über andere erheben, auch dort wird der andere nicht mein Besitz. Wenn man in der Beziehung den anderen als Geschenk wahrnehmen kann, dann leuchtet seine Schönheit auf. Die Erbschuld hat viele Missverständnisse ertragen müssen, aber sie trägt eine Wahrheit in sich, die uns alle ein Stück freier machen würde.“